New work
30.09.2022
Hamburg, im August 2004. Es ist einer dieser Tage, an denen Bastian Sick einen neuen Beitrag in eine Welt entlässt, die durch orthographische Narrenfreiheit nur so vor Fehleranfälligkeit strotzt. Im Vorwort seiner Publikation „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ klärt der SPIEGEL-Kolumnist über alte und neue Irrtümer der deutschen Sprache auf, bei denen sich die Lehrbuchseiten heutiger Germanistinnen und Germanisten regelmäßig kräuseln. Immerhin schleichen sich durch Sprachwandelphänomene sowie die neue Rechtschreibreform Unsicherheiten ein, die teilweise zu spektakulären Schreibweisen führen. Dies geht sogar so weit, dass der Autor zu folgender These kommt: Unser rezentes Deutschland sei „ein Jammertal, durch das orientierungslose Wanderer zwischen alter und neuer Orthografie verwirrt umhergeistern“.
Schließlich kennt es jeder von uns vermutlich: diese typischen Begriffe, Phrasen oder Satzstrukturen, bei deren Schreibweise sich zahlreiche Geister der Küchen-Linguistik scheiden. Trotz der Tatsache, dass sich die heutigen Lehrbücher von Normen verabschiedet haben, wie „korrektes Deutsch“ zu lauten hat, existieren auch für heutige Schreibung Konventionen – besonders im regelkonformen Deutschland. Und doch scheint manches heutzutage zusammen zu passen, wo einst niemand auch nur auf die Idee gekommen wäre…
So machen Dinge heutzutage Sinn, anstatt ihn zu ergeben, es wird wild mit Apostrophen um sich geworfen, um Jedermann´s Besitz, Nachbar´s Rasenmäher oder Oma Rosi´s Torte zu adressieren. Menschen sind besser wie jemand, aber nicht mehr als, und es scheint, als befände sich der Genitiv längst auf einem Abstellgleis, welches vom Zuge des Dativs überrollt wird. Unendlich, kontrovers und emotional aufgeladen – die Diskussion um Sprachwandel und korrekte Schreibung bringt so manche Sprachpurist:innen ins Straucheln. Wagen wir aus diesem Grund einen Blick in die diffuse Welt der Rechtschreibung und sehen wir uns an, welche Zweifelsfälle besonders häufig zu beobachten sind.
Von sechs auf 16: Fakt ist, dass Deutschlands Schüler:innen stetig schlechter schreiben, zumindest so, wie es Duden und Co. recht ist. In einer Studie, durchgeführt von Wolfgang Steinig an der Universität Siegen, verglich der Professor für Germanistik Schulaufsätze der letzten drei Jahrzehnte. Das Ergebnis: wo auf 100 Wörter im Jahr 1992 lediglich sechs Rechtschreibfehler kamen, sind es 2012 ganze 16 Irrtümer. Die Rechtschreibung leide, dafür steige allerdings die Kreativität an – ein Wandel der Gemüter?
Gründe für die zunehmende Verunsicherung sind nicht ausschließlich innerhalb der Kompetenzen von Schreiber:innen zu finden – nein, vielmehr führen verschiedene Faktoren dazu, dass immer häufiger Fehler auftreten und etabliert werden. Diese sind beispielsweise:
„Wenn bei Restaurantnamen wie ‘Kathrin's Depot’ ein falscher Apostroph steht - das tut meinem Auge weh“, beschwert sich Uwe Hinrichs, Professor für Südslavische Sprach- und Übersetzungswissenschaft an der Universität Leipzig, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Und soll damit Recht behalten, zumindest halb. Denn: laut Duden zeigt ein Apostroph an, dass Auslassungen innerhalb eines Wortes getätigt wurden. Wenn Goethe also sagen möchte: „Dass aber der Wein von Ewigkeit sei, daran zweifl’ ich nicht“, so steht das Hochkomma für das apokopierte, also wegfallende „e“ am Wortende. So weit, so gut.
Wenn es sich allerdings um eine Besitzanzeige wie in „Lisas Opel Mocca“ oder „Onkel Gustavs Kaffeetasse“ handelt, dann wird dem Eigennamen lediglich ein „s“ beigefügt – kein Apostroph, keine wilden Grammatikkonstruktionen, bitte. Sollte die Grundform des Namens jedoch bereits auf „s“, „ss“, „ß“, „tz“, „z“, „x“, „ce“ enden, dann und nur dann folgt das Hochkomma.
„Letztes Wochenende war ich zu Besuch bei meiner Schwester im Saarland. Ich bin älter wie sie und-“ „Das heißt als und nicht wie!“ – Unterbrechungen wie der als-wie-Konflikt sind bereits zu häufig unter feuriger Hitze im verbalen Gefecht ausgetragen worden. Während manche Gemüter wie in sämtlichen Lebenslagen nutzen, sorgen sie bei anderen wiederum für Ärgernis. Dies ist auch kein Wunder, schließlich können beide im selben Kontext verwendet werden, nämlich dem des direkten Vergleichs – deshalb werden sie beide auch als Vergleichspartikeln bezeichnet.
Trotzdem unterscheiden sich als und wie in der Praxis, wodurch so einige Dinner-Debatten zwischen Familienmitgliedern oder Freund:innen entstanden ist. Sehen wir uns aus diesem Grund an, welche Verwendungsweisen beide Wörtchen inhärent sind:
Achtung, Verwechslungsgefahr! Diese beiden kleinen Wörtchen sehen sich in ihrer Form ziemlich ähnlich, sind jedoch auf funktionaler Ebene grundlegend verschieden. In Zeiten der WhatsApp- und medialen Kommunikation geraten „t“ und „d“ zu einfach durcheinander, schließlich macht es doch wohl kaum einen Unterschied – sie klingen gleich, werden durch dasselbe Phonem abgebildet, wo ist also das Problem?
Ein kurzer Exkurs in die linguistische Morphologie, ergo die Lehre von Wortbildung und Flexion: Das Wörtchen seit gehört zu den Präpositionen, wobei es temporale Bedeutung annimmt, genauer der Angabe des Zeitpunkts, an dem eine andauernde Handlung begonnen hat. Seid mit „d“ wiederum gehört zur Gruppe der Hilfsverben und ist eine flektierte Form von sein in der 2. Person Plural. De facto handelt es sich somit um zwei vollständig verschiedene Begriffe, die jedoch aufgrund ihres Gleichklangs nur zu häufig in Verwechslung geraten.
„Der Film war fantastisch! Am Optimalsten fand ich den Teil, als der Hauptcharakter die idealste Entscheidung überhaupt getroffen und sich für ihre Freunde entschieden hat. Das Allereinzigste, das mich jedoch gestört hat, war dieser eine Nebencharakter…“
Optimalste, idealste, allereinzigste – der Hang zu Superlativen scheint sich besonders durch den zunehmenden Konsum von Werbesprache eingeschlichen zu haben. Dabei scheinen wir jedoch zu vergessen, dass optimal, ideal und einzig bereits in ihrer Semantik das Ideal sind – mehr geht schlichtweg nicht. Und trotzdem steigern wir, wo wir können und das ganz in der Bemühung, stets noch einen drauf zu setzen.
Auch die Tendenz, Verben anstelle von Adjektiven zu steigern, scheint stetig zuzunehmen – so wird aus dem am meisten gelesenen Buch flugs das non-existente meist gelesenste Buch. Vielleicht ist es längst an der Zeit, nicht nur zugunsten von uns selbst, sondern auch unserer Sprache zuliebe wieder auf den gesitteten Boden der Tatsachen zurückzukehren – oder sollte es heißen: auf den meist gesittetsten Boden?
Früher war alles besser, so schimpft es sich neben dem Volksmund auch oftmals innerhalb der Sprachwissenschaft. Obiger Titel von Bastian Sicks gleichnamiger Publikation sagt und kritisiert es schon in stilistisch-kreativer Weise: der moderne Genitiv schwindet, und das in rasantem Eiltempo auf der Überholspur unserer Standardsprache.
„Wegen dem Arbeiten konnte ich nicht zur Feier kommen, die im Haus vom Nachbarn anlässlich von seinem Geburtstag stattgefunden hat“ – Fakt ist, dass die Ökonomietendenzen unserer Alltagssprache auch vor unseren vier Fällen keinen Halt machen. „Gesperrt wegen Hochwasser“, heißt es auch in schriftlicher auf Straßenschildern nach Regenfällen, dabei war es offenbar neben Dachziegeln, Bäumen und Autos auch der obligatorische Genitiv, den die Flut fortgeschwemmt hatte. Daher ein kurzer Appell an alle Sprachliebhaber:innen dort draußen: lasst uns nicht vollständig durch den vierten Fall in die Irre führen!
„Der Angeklagte rechtswidrigen Rasens auf der A24 ist nun zu Recht/zurecht verurteilt worden, nachdem er sich tagsüber/Tags über törichterweise/ törichter Weise dazu entschieden hat, großspurig/groß spurig zu überholen“ – na, geraten Sie bei der Auswahl an Antwortmöglichkeiten auch manchmal ins Straucheln? Keine Sorge, damit sind Sie nicht allein, schließlich existiert eine Reihe an Regeln, welche die Getrennt- oder Zusammenschreibung von Begriffen beschreiben. Um diese beliebte Fehlerquelle bestmöglich zu vermeiden, lohnt sich hier der Blick in eine Grammatik oder ein Wörterbuch Ihrer Wahl, um individuellen Fällen auf den Zahn zu fühlen. Wie Sie sprachlichen Zweifelsfällen und Missgeschicken bestmöglich begegnen, zeigen wir Ihnen im nächsten Kapitel.
Auf der Suche nach einem neuen Job?
Starte deine Jobsuche hier