New work
14.09.2022
Sind Sie schon einmal dem Begriff der „Weißen Rhetorik“ begegnet? Auf den ersten Blick scheint die Parallele sonderbar, gar schwer zu fassen, schließlich handelt es sich bei Rhetorik um Redekunst, weiß spezifiziert wiederum eine Farbgebung. Begeben wir uns von der realistischen auf die abstrakte Ebene, haben beide Begriffe doch mehr miteinander gemein, als auf den ersten Blick scheint: „Überzeugen statt manipulieren“, lautet der Leitspruch, den Autor Wladislaw Jachtchenko in seiner Publikation "Weiße Rhetorik" aus dem Jahr 2021 einführt. Wie genau sich kompetente Redekunst und gerissene Manipulation voneinander trennen lassen, darum soll es im späteren Verlauf gehen.
Rhetorische Fähigkeiten – und damit zielgerichtete Kommunikation per se – begleitet den Menschen bereits seit der griechischen sowie römischen Antike. Als eigene Disziplin galt Redekunst vor allem in Politik und Rechtswesen, wobei primär persuasive Absichten verfolgt wurden. Sowohl Publikum als auch Gesprächspartner:innen oder das Gericht sollten von dem überzeugt werden, was die Redner:innen ihnen vorlegten.
Auch heutzutage begleitet uns die Möglichkeit, ein Gegenüber systematisch von unserem Standpunkt zu informieren, belehren – und natürlich bestenfalls zu überzeugen. Ob in Vorträgen, beim Jobinterview oder dem persönlichen Gespräch mit Freund:innen, jegliche Interaktionssituation ist determiniert von der korrekten Formulierung. Doch was genau ist das eigentlich, dieses „angemessene Sprechen“? Und wie ist es zu erlernen? Werfen wir einen Blick in die Faktenwelt.
„Der Begriff Rhetorik“, definiert die Universität Oldenburg im Germanistik Kommunikations-Projekt, „bezieht sich auf die Theorie und Praxis der menschlichen Beredsamkeit in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten“. Ob mündlich, schriftlich oder medial vermittelt – Sprache und die ihr inhärente Wortwahl begleiten uns in sämtlichen Ebenen unseres gesellschaftlichen Alltags. Die Redekunst beschreibt hier primär eins: Die Art und Weise, wie wir uns Sprache zu Nutze machen und zielgerichtet kommunizieren.
So ästhetisch-künstlerisch die Wortbildungskonstrukte oft klingen mögen, wenn die Rhetorik unsere Gedanken in ein Kleid aus Worten hüllt, so dient sie primär einem Zweck: der Überzeugung des Gegenübers von unseren Ansichten. Der lateinische Begriff persuasio beschreibt diese Wirkung. Zwischen Überzeugung und Überredung ist oftmals ein schmaler Grad, weshalb rhetorisches Verständnis größere Bedeutung hat, als manche ihr zuschreiben würden. Autor Wladislaw Jachtchenko hat hierzu zwei interessante Konzepte aufgestellt:
„Schwarze Rhetorik ist die Kunst der Manipulation, das heißt, ich versuche, jemanden zu überzeugen, ohne, dass er merkt, dass ich bestimmte Techniken anwende“, antwortet Jachtchenko im Podcast-Interview mit Bernd Jeropp. Schwer im Raum schwebt die Frage, wo genau der feine Grad zwischen Überzeugen und Manipulieren, Strategie und Lenkung verläuft. „Und die weiße Rhetorik, das ist wirklich die Kunst des Überzeugens mit dem besseren Argument. Also da versuche ich wirklich, rationale Gründe, Beispiele anzugeben, wo der andere wirklich also vernünftig ohne jegliche Tricks überzeugt werden soll.“ Es wundert sicher kaum, dass schwarze Rhetorik unter Redner:innen verpönt ist, schließlich beruht diese in ihren Grundzügen auf Diskreditieren und der Verzerrung von Wahrheiten. Mit dem einzigen Ziel, die eigenen Ansichten auf das Gegenüber zu übertragen.
Fakt ist, dass Rhetorik auf zwei Arten angewandt werden kann – wie genau, das liegt allein in Redners oder Redner:innens Händen. Wir fassen zusammen:
„In der Rhetorik ist es der größte Fehler, von der gebräuchlichen Redeweise und dem gemeinen Menschenverstand abzuweichen“ – Marcus Tulius Cicero
Ziel eines jeden Vortrages ist es, Informationen aufzubereiten, darzustellen und fachgerecht zu vermitteln. Sie sind sich Ihres Könnens bewusst? Großartig! Und Sie möchten nun diese Inhalte an Ihr Publikum weitertragen? Noch besser! Aber Achtung: zu komplexe Bandwurmsätze, Fachbegriff-Jonglage oder – das andere Extrem – aufgrund von Unsicherheit kaum einen konkreten Punkt formulieren können, sollten Sie tunlichst vermeiden.
Macht dem Verstand – damit Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer:innen nicht verlieren, sollten Sie versuchen, diese aktiv mit einzubinden. Initiieren Sie Ihre Rede mit einem alltäglichen Beispiel, welches in ihrem Lebensbereich auftritt. Ziehen Sie gemeinsame Verbindungen, sei es durch Beruf oder gesellschaftliche Umstände, welche Sie Ihrem Publikum nahbar machen und das eigene Anliegen auch zu ihrem werden lässt.
„Wenn ich acht Stunden Zeit hätte, um einen Baum zu fällen, würde ich sechs Stunden damit verbringen, meine Axt zu schleifen“– Abraham Lincoln
Stellen wir uns folgende Situation vor: Sie sind kommende Woche zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen – und das auch noch für eine Position innerhalb Ihres Traumunternehmens! Die Pumpe geht, Nervosität steigt, während Angst ihren schweißnassen Rücken hinaufklettert. Jetzt heißt es überzeugen, schließlich sind Sie nach all dem Bewerbungen-Verfassen und Warten umso heißer auf den Job – das Gespräch muss sitzen.
Wie in den meisten Bereichen des Lebens – es sei denn, Sie sind professioneller Stand-Up-Comedian – sollte nichts ohne Organisation vonstattengehen. Die meisten schätzen den Akt an sich, vergessen dabei aber leicht, dass ein viel umfangreicherer Workload nicht im Halten der Präsentation liegt, sondern in dem Zeitraum davor. Recherche, Faktenwissen, Studien – all das frisst Zeit, Kapazitäten und manchmal auch Nerven. Um selbstbewusst auftreten zu können und Ihre Punkte sinnvoll zu präsentieren, sind diese Schritte jedoch obligatorisch. Schließlich werden die meisten von uns eher jemandem Glauben schenken, der selbst von seinem Können überzeugt ist und sich zudem auch kompetent zeigt.
„Sage nichts, was nicht zum Thema gehört, wechsle nicht das Thema“, oder kurzum: „Be relevant.“
Als der englische Philosoph Paul Grice seine Konversationsmaximen aufstellte, hieß es zu reflektieren, was einen gelungenen Gesprächsbeitrag eigentlich ausmacht. Aus diesen Überlegungen entwickelte er vier Grundsätze, anhand derer sich kooperatives sprachliches Verhalten definiert – so auch die oben notierte Maxime der Relevanz.
„Kommen wir zu unserem neuen Geschäftspartner, dessen Hauptsitz in Mittelamerika liegt. Ach ja! Da fällt mir ein, dass ich vor einem Jahr in Costa Rica war, um im Regenwald zu einer Expedition aufzubrechen – dort habe ich dann meine jetzige Lebensgefährtin kennengelernt. Wo war ich stehengeblieben? Richtig, unser Geschäftspartner.“
Oben sehen Sie ein Beispiel, wie es besser nicht geht. Um Ihre Zuhörer:innen nicht zu verlieren und einen kohärenten Vortrag zu produzieren, sollten Sie sich lieber bemühen, keine Ausschweifungen zu produzieren und zielgerichtet zu kommunizieren. Sprechen Sie zum Thema und gliedern Sie Ihren Vortrag im Vorhinein in wesentliche Sinnabschnitte sowie Bestandteile wie Einleitung oder Fazit.
„Könnte ich noch einmal zur Universität gehen, würde ich mich auf zwei Ziele konzentrieren: Das Schreiben und die Rede vor Publikum. Es gibt nichts Wichtigeres im Leben als die Fähigkeit, effizient zu kommunizieren“ – Gerald R. Ford
Weshalb finden wir manche Schulstunden, Seminar an der Universität oder im Arbeitsleben so langatmig? Oftmals ist dem nicht so, dass Ihnen das Thema nicht zusagt oder es Ihnen an Motivation mangelt. Meist werden die Inhalte entweder zu komplex dargestellt, sodass Ihnen der Zugang fehlt oder so sehr ausgeführt, dass sich die Zeit endlos zu dehnen scheint.
Um nicht ebenfalls Langeweile auszulösen, beschränken Sie sich in Ihrem Aussagen auf wesentliche Kernpunkte, um die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer:innen bei sich zu behalten. Kurz, knackig und prägnant auf den Punkt anstelle von langen Phrasen, pompösen Begriffen oder achtzig vollbepackte Folien. Dass hier nämlich die wenigsten bis zum Ende zuhören werden, ist vermutlich logisch.
„Wir glauben gern, dass etwas geschieht, während wir reden. Die Wahrheit ist, dass alles Wichtige geschieht, während wir schweigen“ – Nina Blazon, Zweilicht
Wer geglaubt hat, Rhetorik höre allein bei der Redekunst auf, der hat sich erheblich getäuscht. Stellen Sie sich einmal vor, jemand möchte Ihnen im Rahmen einer Präsentation über ein ernstes Thema berichten, schafft es aber nicht einmal, den eigenen Körper unter Kontrolle zu behalten – würde das die Glaubwürdigkeit seiner Worte unterstreichen? Vermutlich nicht.
Redner:innen sollten daher stets darauf achten, einen festen Stand und eine aufrechte Körperhaltung zu bewahren. Die Hände gehören nicht in die Hosentaschen, genauso wenig wie der Blick auf die nächstgelegene Wand Ihnen gegenüber gerichtet. Halten Sie stets Ihre Aufmerksamkeit beim Publikum, wenden Sie sich diesem zu und beziehen Sie es nicht nur verbal in Ihren Vortrag ein, sondern auch durch einladende Gesten. Auch Mimik sowie aktiver Blickkontakt bei den Zuhörer:innen sorgen dafür, dass die Zuhörer:innen Sie als kompetente Rhetoriker:in wahrnehmen. Schließlich ist vermutlich nichts schlimmer als ein Referent, dessen Augenfarbe nicht einmal zu erkennen ist, da die Nase tief in den eigenen Notizen verborgen ist.
„Eine gute Rede ist eine Ansprache, die das Thema erschöpft, aber keineswegs die Zuhörer“ – Winston Churchill
So wie eine altes Sprichwort besagt, dass man seine Feind:innen kennen sollte, gilt dies selbstredend auch für andere Personen im eigenen Umfeld. Sowohl über Familienmitglieder oder Freund:innen als auch Partner:innen möchte man selbstredend so viel wie möglich erfahren, um sich bestmöglich auf das Gegenüber einstellen zu können.
Ähnlich ist es auch mit Ihren Zuhörer:innen zu handhaben – über welche Vorkenntnisse verfügen diese? Welche Gemeinsamkeiten liegen der Gruppe zugrunde? Kurzum: Was verbindet mich mit meinem Publikum? Mit diesem Wissen fällt es Ihnen ersichtlich leichter, andere mit Ihrer Rede in den Bann zu ziehen und aktiv Aspekte hervorzuheben, die in den persönlichen Interessenbereich der Zuhörer:innen fällt. Besonders elementar ist hier, auf das unpersönliche, generalisierende Pronomen „man“ zu verzichten und stattdessen Ihr Publikum direkt zu adressieren, beispielsweise in Form einer rhetorischen Frage: „Kennen Sie es auch…?“ „Wir alle haben bereits erlebt, dass…“, „Was glauben Sie, macht ein erfolgreiches Unternehmen wirklich erfolgreich?“
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“
So elementar die Beschaffenheit der Form auch ist, in Sie Ihre Worte kleiden, sollten Sie zudem auf paraverbale Signale wertlegen. Setzen Sie bewusst Pausen, um Ihren Mitmenschen die Möglichkeit zu bieten, das Gesagte zu verarbeiten, reflektieren und überdenken. Nur so können Sie sicherstellen, dass die Inhalte des Vortrags oder Gesprächs langfristig nachwirken und nicht noch im Verklingen ihres Wortlauts wieder verschwinden. Zudem erhalten Ihre Aussagen bei bewusster Verzögerung Gewicht, welches Ihre Authentizität sowie Kompetenz erneut unterstreicht.
Ob auf einer Hochzeit des besten Freundes, dem Seminar in der Universität oder in einem beruflichen Meeting – Vorträge finden sich überall. Aufgrund dieser universellen Einsetzbarkeit von rhetorischen Fähigkeiten ist es elementar, dass Sie bereits bei Konzeption der Rede Event, Publikum und Rahmenbedingungen im Hinterstübchen behalten. Schließlich fällt die Wortwahl bei einem wissenschaftlichen Kongress, auf dem ausschließlich hochangesehene Professor:innen erscheinen, anders aus als im vertrauten Team oder vor Familienangehörigen. Zur Rhetorik zählt folglich auch zielgruppenspezifisches Handeln, um dem Zweck der Rede gerecht zu werden.
Schließen wir unsere Ausforderungen ab, so zeigt sich primär eins: Reden ist eine Kunst, die weitaus mehr bedarf als simpel aneinandergefügte Phrasen, Sätze und Paragraphen. Vielmehr ist sie ein Zusammenspiel an Faktoren, die berücksichtig werden müssen, um eine spannende Zeit mit neuen Erkenntnissen zu bieten. Fassen wir noch einmal die wesentlichsten Punkte zusammen:
Auf der Suche nach einem neuen Job?
Starte deine Jobsuche hier