Studierendenleben
19.04.2022
Es ist der 11. April, ein Montag um 13:00 Uhr. Die neue Woche beginnt in einem neuen Semester, welches von typischem Wetter für diese Jahreszeit begleitet wird – Regen, Schnee, Sonne. Und das an einem Tag. Dazu diese verdammte Eiseskälte! Trotz aufwallender Stressfluten und neuer Abgabefristen schwörst du dir, dieses Semester motiviert und vor allem am Ball zu bleiben. Du schlägst deinen Kalender auf, um den neuen Termin einzutragen, an dem die nächste Hausarbeit geschrieben und formatiert im E-Mail-Postfach der Dozentin landen soll. Und traust deinen Augen kaum: der letzte Abgabetermin ist doch gerade einmal eine Woche her gewesen!
Wir alle kennen es: die Arbeit wird in der letzten Nacht unter einer gesundheitlich vermutlich bedenklichen Menge an Koffein und Zucker in die Tasten gehauen, um 11:45 Uhr geht der Mausklick in Richtung des Sende-Symbols auf dem Computer, welches das Meisterwerk an den Professor verschickt. _Puh, gerade noch einmal geschafft! Aber nächstes Mal bin ich früher dabei_…
Was hier geschieht, ist ein Phänomen, welches in der Psychologie den charmanten Begriff Prokrastination trägt. Aufschieben bis zum Geht-Nicht-Mehr, die leere Floskel „das erledige ich morgen“ wird nie eintreffen, da das Morgen regelmäßig um einen weiteren Tag verschoben wird. Wir alle kennen und verachten sie, dennoch Räumen wir zu gerne die Wohnung auf oder putzen das Bad anstelle uns unliebsamen To-Dos wie der Steuererklärung, dem Lernen für die nächste Klausurenphase oder dem Essay zu nächster Woche zu widmen.
Besonders im Studium wird mit unliebsamen Aufgaben, Deadlines und Druck um sich geworfen, somit ist es kein Wunder, dass Aufschieberitis schleichend zur Volkskrankheit mutieren konnte. Da bekanntermaßen Einsicht der erste Schritt in Richtung Besserung ist, möchten wir dir in diesem Artikel zeigen, weshalb wir Menschen nur zu gerne unsere Pflichten auf die lange Bank schieben und wie man gezielt dagegen ansteuert!
Das menschliche Gehirn ist seltsam; es soll uns schützen, voranbringen und dafür sorgen, dass wir erfolgreich sind in dem, was wir tun. Und dennoch kann sich niemand von uns davon freisprechen, nicht schon einmal etwas getan zu haben, von dem er oder sie wusste, dass es in keiner Weise zielführend ist. Verdeutlichen wir diese These an einem kurzen Beispiel:
Was haben Schokolade, das Smartphone und Chips gemeinsam? Kurze Pause… korrekt – wir alle lieben sie, obwohl wir ziemlich genau wissen, dass sie uns in einer Überdosis bei Weitem mehr schaden werden als nutzen.
Und doch: die ersten Sekunden, in denen der griff zum Display schnellt oder das Kakaoprodukt auf der Zunge schmilzt, scheint sich durch die im Hirn freigesetzten Glückshormone wie beispielsweise Serotonin das Gefühl, welches wir kompensieren möchten, minimiert zu haben… Bis das schlechte Gewissen eintritt und die Wirkung verblasst. Wir fühlen uns miserabel, wenn wieder eine ganze Stunde in den unendlichen Feeds auf Instagram geflossen oder die Tafel Schokolade bis zum letzten Krümel vernichtet ist.
Keine Sorge, mit diesen Alltagslaster bist du definitiv nicht allein: gemäß einer Umfrage des Rechercheinstituts Statista aus dem Jahr 2016 teilten sich „Dinge Aufschieben“ (26%), „keinen Sport treiben“ (21%) sowie „Rauchen“ (20%) und „zu viel essen“ (12%) das Siegertreppchen der schlechten Angewohnheiten unserer Gesellschaft. Heute widmen wir uns dem goldenen Platz eins, welcher mit Abstand im Leben der meisten Befragten sein Unwesen treibt: Die Prokrastination.
Wenn wir doch so genau wissen, dass ein bewusstes Auseinandersetzen mit der aktuellen Gefühlslage doch um Einiges effektiver und gesünder für uns wäre: Warum machen wir es dennoch?
Ähnlich wie unser obiges Beispiel verhält es sich auch mit unserer Prokrastination. Sie bietet uns eine zwar vorschnelle, aber dennoch effektive Lösung, um unser jetziges Ich von der bevorstehenden Belastung zu trennen – dass die Hausarbeit zu übermorgen jedoch nicht ansatzweise vollendet ist, wird flugs zum Problem des Zukunfts-Ichs. Problem gelöst?
Natürlich nicht. Prokrastination ist nämlich nur ein Symptom, dessen wahrhaftige Ursachen vielfältig und wissenschaftlich vielseitig erforscht werden. Eine beispielhafte Erklärung haben wir hier für dich: Andrea Scheel, Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Europa-Universität Flensburg, benennt zwei mögliche Ursachen, weshalb der Mensch so gerne auf das Kompensationsmittel Prokrastination zurückgreift:
„Entweder haben wir keine Lust auf den Weg zum Ziel, oder wir trauen es uns gar nicht ers zu. (…) Das motiviert nicht gerade, dabei ist Willen sehr wichtig um ein Ziel zu erreichen. Unsicherheit kommt wiederum oft aus der einzelnen Sozialisierung: Menschen, die stets gehört haben, dass sie etwas sowieso nicht schaffen, trauen sich tatsächlich auch weniger zu.“ Zusammengefasst sind es laut Aussagen der Professorin primär fehlende Motivation oder mangelndes Selbstvertrauen, die uns dazu führen zu prokrastinieren. Existieren weitere Ansätze und Gründe, in denen wir uns zumindest teilweise wiedererkennen können?
Hast du schon einmal Angst gehabt zu versagen? Mit Sicherheit ist niemand ‒ selbst die noch so von sich überzeugten Supermen and -women unter uns ‒ davor gefeit, den Gedanken zu haben, etwas nicht zu schaffen. Dass man nicht gut genug, intelligent oder gleich beides zusammen sei. Das Aufschieben kann hier als Kompensationsmethode fungieren, wenigstens auf diese Weise keine Fehler zu begehen und es gar nicht erst zu versuchen oder die unangenehmen Emotionen auf diese Weise zu umgehen. Dass diese Methode ein Fass ohne Boden ist, weißt du vermutlich sogar selbst.
Wir alle kennen es, die Hausarbeit liegt in weiter, weiter Ferne und die Stunden, Tage, sogar Wochen ziehen mühelos an uns vorbei wie ein Schwarm dunkler Vögel. Morgen fange ich an, bleibt dein Versprechen an dich selbst, welches du jedoch wieder und erneut brichst, schließlich drängt dich niemand außer dein schlechtes Gewissen. Doch auch das lässt sich bis zu einem gewissen Grad hinauszögern.
Ja, dass wir Dinge niemals ausschließlich für die Aufmerksamkeit anderer tun sollten, ist absolut korrekt. Allerdings ist es genauso elementar, sich darum zu bemühen, die Anerkennung für deine Leistungen von der Person einzufordern, die Priorität deinem Leben ist oder sein sollte: von dir selbst.
Ich bin erst zufrieden, wenn ich genug getan, die Bestleistung erreicht und vielmehr mich selbst übertroffen habe – erkennst du dich vielleicht in dieser Selbstcharakterisierung wieder? Dann gehörst du vermutlich zu der Sorte Mensch, die stets das Beste aus sich selbst herausholen möchten, deren Selbstwertgefühl von der Produktivität abhängt, welche sie an den Tag legen. Dass hier eine Überforderung und die Angst zu versagen wie in Punkt eins auftritt, ist vermutlich wenig überraschend.
Eben noch die letzte Nachricht der besten Freundin beantworten, anschließend folgt eine Runde Instagram – oh! Der Geschirrspüler muss dringend ausgeräumt werden, die Waschmaschine piept bereits zum dritten Mal und überhaupt, wie sieht es hier wieder aus? In der Unordnung kann doch keiner lernen! Leidenschaftliche Prokrastinationsexpert:innen werden jeden noch so kleinen Reiz nutzen, um bloß nicht die eigentlich angesetzte Arbeit zu erledigen und sich stattdessen alten Gewohnheiten hinzugeben.
Nachdem wir uns den Symptomen und Faktoren von Aufschieberitis gestellt haben, ist es nun an der Zeit, Handlungen folgen zu lassen. Und zwar nicht erst morgen, sondern am besten direkt beim nächsten Task, den zu erledigen möchtest. Probiere es am besten mit folgenden Methoden:
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