Studierendenleben
28.11.2024
Lew Tolstoi. Ein Name, welchen bestimmt schon jeder gehört hat, ohne zu wissen, wer genau Lew Tolstoi war. Das sollte sich ändern! Hier bekommst Du die wichtigsten Informationen zu einem besonderen Menschen, welcher Friedensbewegungen weltweit inspiriert hat und sogar als Mahatma Gandhis Mentor bezeichnet werden kann. Eine beeindruckende Vita, welche auch motivieren kann, den Glauben an Frieden nicht aufzugeben.
Auf der Suche nach dem Sinn des Lebens, den Unterschieden zwischen arm und reich und dem Grauen, welcher Krieg und Verderben mit sich bringen, hierbei jedoch auch ermöglichen eine einfache Sicht auf das Leben zu erlangen, reiste Tolstoi durch weite Teile Russlands und Europas.
Hermann Hesse äußerte zu Tolstoi, dass dieser es schaffte, seine eigene Person in seinen Werken präzise zu beschreiben, ohne dies erkennbar zu machen, klingt paradox, doch Tolstoi macht es möglich. Auch die Gefühlswelt seiner Kinder, welche er sehr liebte, wurde in seinen Werken deutlich beschrieben. Tolstoi schien immer auf der Suche nach einem Weg zu sein, welcher allen Menschen Gerechtigkeit zukommen lässt, wobei Emotionen, so willkürlich sie auch sein können, mit entscheidend seien, insbesondere die Liebe.
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9. September 1828
Lew Nikolajewitsch Tolstoi wird als Kind Adliger in Jasnaja Poljana geboren. Einen Eindruck seiner Kindheit bietet sein erster im Jahr 1852 veröffentlichter Roman „Die Kindheit“. Nach dem frühen Tod seiner Eltern, wuchs er bei seiner Tante auf.
1847 Abbruch des Studiums
Tolstoi studierte 1844 zunächst in Kazan orientalische Sprachen und Jura, brach sein Studium jedoch ab, um den Landsitz seiner Familie zu führen. Hier versuchte er, den Leibeigenen seiner Familie bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Ein Zitat Tolstois beschreibt diesen Wunsch recht gut: „Wird der Reiche wahrhaft barmherzig, so hört er bald auf, reich zu sein“.
1851-1854 Militärdienst als Freiwilliger
Er meldete sich freiwillig zum Militärdienst gegen den Aufstand der Tschetschenen und brachte es bis zum Leutnant. Der Kaukasus hat es ihm besonders angetan. Die simple Art und Weise, auf welcher die einfachen Menschen lebten, und paradoxerweise Krieg und Freiheit vereinten, beeindruckte in sehr.
In dieser Zeit entstanden seine drei Werke „Die Geschichte des vorigen Tages“ (1851), „Der Überfall“ (1853) und „Die Kindheit“ (1852), welche er der russischen Zeitschrift „Современник“ („Der Zeitgenosse“) zuschickte. Sein Talent fand direkt Beachtung.
Auf eigenen Wunsch hin wurde er zur Krim versetzt, wo er für seine Tapferkeit Anerkennung und verschiedene Auszeichnungen erhielt. Die Erfahrungen, die er dort gesammelt hat, haben mit Eingang in sein weltberühmtes Werk „Krieg und Frieden" genommen, wo er Krieg unteranderem als hässlich und falsch beschreibt.
1856 Ende als Leutnant und Reisen nach Europa
Nachdem er seinen Posten als Leutnant quittiert hat, bereiste er verschiedene Länder Europas, um später zu seinem Geburtsort Jasnaja Poljana zurückzukehren, wo er eine Schule für Bauernkinder eröffnete. Bei dieser einen Schule blieb es nicht. Er reiste von nun an regelmäßig durch Europa, um verschiedene Schulsysteme zu vergleichen.
1862 Tolstoi kommt unter die Haube
Mit 37 heiratete er seine Frau Sofia Andrejewna Behrs. Sie bekamen 13 Kinder, von welchen jedoch 5 früh verstarben. In einem Zeitraum von 16 Jahren schrieb er seine weltberühmten Werke „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“. Seine Frau Sofia soll unteranderem seine Manuskripte mehrfach verschriftlicht haben und war somit die erste Leserin seiner Werke.
1881 Frage nach Sinnhaftigkeit
Er beschäftigte sich immer stärker mit der Frage, wem Religion eigentlich verdeutlicht werden müsste. Hierzu vermerkte er: „Christentum muss man nicht so sehr den Arbeitern wie den nicht arbeitenden Herren predigen“. Auch hier wird sein soziales Engagement deutlich, welches „Geburtsrechte“ in Frage stellt. Diese Gedanken spiegelten nicht immer die Meinung anderer wider, weshalb er ab 1882 überwacht wurde.
1910 Tod nach Flucht vor seiner Frau
Dass die Beziehung zwischen Tolstoi und seiner Frau nicht immer harmonisch war, ist sowohl in einigen Werken Tolstois als auch in einem Werk Andrejewna Behrs erkenntlich. Im Herbst 1910 eskalierte ein Jahre andauernder Streit um sein literarisches Erbe, welches er der Allgemeinheit widmen wollte, was seiner Frau missfiel. Er floh mit seiner Tochter, kam jedoch nicht weit. An der Bahnstation Astapowo verstarb er an einer Lungenentzündung, welche sich der 82 Jährige eingefangen hatte.
Er war früh vom simplen Leben der „einfachen Leute“ angetan, bemerkte jedoch direkt die starke Ungerechtigkeit zwischen jenen, die für ihr Leben arbeiten müssen, und denen, die als einzige Errungenschaft ihre Geburt als Privilegierte geleistet haben.
Seine Mittel setzte er entsprechend für ärmere Menschen ein, indem er Schulen baute und diese stetig verbesserte. Sein Landgut und sein literarisches Erbe vermachte er der Allgemeinheit. Tolstoi zeigt, dass positiver Wandel auch von oben eintreten kann, er ist bedauerlicherweise nur seltener. Positive Veränderungen von unten, welche, gezwungenermaßen, oftmals mit Rebellion und einhergehender Gewalt verbunden sind, da andere Mittel nicht zugänglich sind, sind bei starkem politischem Wandel normalerweise die Regel.
Zwei Welten, ein Ziel: Frieden!
Mahatma Gandhi hat mit dazu beigetragen, Indien von Großbritannien zu befreien und dies nur mit seinem festen Glauben an Frieden und Gerechtigkeit. Ist es daher verwunderlich, dass Gandhi Schriften von Tolstoi las und Ideen von Gleichheit und friedlicher Rebellion verinnerlichte? Nein!
Tolstoi und Gandhi haben sich nie in Persona kennengelernt, standen jedoch in regem Briefaustausch, welcher 1909 begann und bis zum Tode Tolstois anhielt. Tolstoi war zu der Zeit schon weltberühmt, Gandhi jedoch war noch ein junger Widerstandkämpfer, welcher insbesondere durch Tolstois Werk „Das Himmelreich in euch“ inspiriert wurde. Hierzu schrieb er: „Tolstois Das Himmelreich in euch hat mich überwältigt. Es hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Vor dem unabhängigen Geist, der tiefen Moral und der Wahrhaftigkeit, die aus diesem Buch spricht, scheinen alle Bücher, die mir gegeben wurden, bedeutungslos zu werden“
Gandhi beschreibt Tolstoi als seinen Lehrer und Führer und hat viele Ratschläge und Gedanken Tolstois so stark verinnerlicht, dass sein Widerstand gegen die britische Herrschaft friedlich erfolgte und letzten Endes erfolgreich war. Tolstois Waffe gegen die britischen Besatzer in Indien war Liebe. 1908 schrieb er hierzu: „Widerstehe dem Bösen nicht nur, beteilige Dich auch nicht daran. Weder an den Willkürtaten der Gerichte, am Eintreiben von Steuern und, was noch viel wichtiger ist, an den Taten der Soldaten. Dann wird euch niemand versklaven“. Nur so könne sich Indien von den Briten befreien.
Ein weiterer berühmter Name der russischen Literatur ist Fjodor Dostojewski. Die beiden Literaturgrößen harmonieren keineswegs, passen dennoch bestens zusammen, wie kann das sein? Begegnet sind sich die beiden Herren nicht, dennoch haben sie viel über den jeweils anderen zu sagen gehabt. So soll Dostojewski über Tolstoi vermerkt haben: „Die zwei Zeilen über Tolstoi, mit denen ich in keiner Weise einverstanden bin, sind die Stellen, wo Sie behaupten, dass Tolstoi in allem Großen in unserer Literatur ebenbürtig sei. So etwas darf man doch nicht sagen!“.
Tolstoi wiederum verstand nicht, weshalb Dostojewski gelesen würde: „Er war argwöhnisch, ehrgeizig, schwer und unglücklich. Seltsam, dass er so viel gelesen wird! Ich verstehe nicht weshalb“.
Den „Streit“ zu schlichten ist eher eine Typ Sache. Während Tolstoi viel über die Macht der Liebe und Emotionen schrieb, entwarf Dostojewski ein eher düsteres Bild des Lebens, mit welchem er sogar St. Petersburg in ein schlechtes Licht setzte, indem er die Stadt als grau und düster beschrieb. Als „Psychologe der russischen Literatur“ skizzierte er jedoch auch die russische Seele, welche das Leben in vollen Zügen beschreibt und gut mit Dostojewskis Werken beschrieben wird.
Umgekehrt ist Tolstoi bisweilen zu sehr in Details verstrickt. Manchmal weiß man am Ende eines Satzes nicht mehr, wie dieser begonnen hat. Dostojewski ist diesbezüglich das exakte Gegenteil. Er nutzte Schrift theoretisch nur, um seine Ideen auszudrücken und schrieb entsprechend nicht mehr als nötig.
Festzuhalten ist, dass beide die russische Literatur und die Weltliteratur maßgeblich geprägt haben, nur von unterschiedlichen Standpunkten aus, welche nicht ausschließlich im Widerspruch zueinanderstehen müssen, man muss nur versuchen, die andere Sichtweise zu verstehen.
Nun habt Ihr einen guten Einblick in Tolstois Leben bekommen können, wie er lebte, wofür er einstand und wie er andere Menschen inspiriert hat, jetzt geht es im wahrsten Sinne des Wortes ans „Werk“ 😉.
„Kindheit“ (1852)
Wer mehr über Tolstoi erfahren möchte, sollte mit seinem ersten Buch beginnen. Es ermöglicht andere Werke von ihm besser mit ihm verbinden zu können und somit Herrman Hesses Äußerung zu Tolstoi besser zu verstehen: „Die Art, wie Tolstoi… sich selber da und dort skizziert, diese etwas ängstliche Art, mit der er sich halb zeigt, halb verbirgt, sich nie ganz mit einer Figur identifiziert und doch allen Figuren eigenste Bekenntnisse in den Mund zu legen den Drang hat …, ist nicht bloß ein literarisches Spiel Tolstois, sondern ein Schlüssel zu seiner ganzen Psychologie…“
„Krieg und Frieden“ (1869 und die Urfassung von 1867)
Beide Fassungen sind auf ihre Weise interessant. Einige Begebenheiten der Charaktere ändern sich komplett, der Hauptunterschied ist jedoch der Umfang. Während die Urfassung deutlich geringeren Umfangs ist, ist die Version von 1869 detaillierter, beispielsweise in Bezug auf Exkursionen.
„Anna Karenina“ (1877)
Mit das bekannteste Werk Tolstois, welches die Geschichten dreier Adelsfamilien vereint und Ehe und Ehebruch verdeutlicht, immer mit Begleiterscheinungen wie suizidalen Gedanken, welche den Hauptcharakter Anna Karenina, letzten Endes einholen.
Das reicht erstmal an Literatur. Wieso nur drei fragt Ihr Euch vielleicht. Nun, ganz einfach, weil es sich bei diesen Werken, insbesondere bei „Krieg und Frieden“ und „Anna Karenina“, nicht um kleine Lektüren handelt. „Anna Karenina“ wartet mit über 1200 Seiten auf, während „Krieg und Frieden“ mit über 2000 Seiten nicht „mal eben“ gelesen werden kann. Wenn Ihr es schafft, eines der Werke durchzulesen, dann könnt Ihr Euch weitere aussuchen 😉
Tolstoi hat nicht nur die Weltliteratur geprägt. Er hat Menschen zu friedlichen Widerständen motiviert, die Relation zwischen arm und reich in Frage gestellt und Religion als Aufopferung für Menschen interpretiert, um Gott zu dienen. Auch wenn es schwer sein mag, seine Werke allesamt zu lesen, versucht es zumindest, wer weiß, vielleicht werdet auch Ihr zu friedlichen, aber dennoch effektiven Reformationen bewegt 😊
In diesem Artikel wird für eine bessere Lesbarkeit und Auffindbarkeit tendenziell die männliche Bezeichnung verwendet. Wir richten uns aber an alle Geschlechter.
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