Verkürzte Aufmerksamkeitsspanne: so regenerierst du deinen Fokus

Studierendenleben

23.08.2022

Verkürzte Aufmerksamkeitsspanne: so regenerierst du deinen Fokus

Montagmorgen, 08:45 Uhr. Andauernd merkst du, wie dein Kopf schwer wird, während der Curser deiner Maus seine Zeilen durch das Word-Dokument sucht, als es passiert: die Wand dir gegenüber und dein Blick treffen sich. Ihre weiße Farbe wirkt auf gewisse Weise faszinierend, anziehend, dabei hattest du bereits häufig darüber nachgedacht sie zu streichen. Du reißt den Blick los, setzt dich auf. Fokus jetzt! Doch es dauert keine fünf Minuten, da wandert die Hand zum Smartphone und begibt sich auf ihre übliche Tour durch Instagram, WhatsApp und Co. Minuten versiegen, bis du es schaffst, deinen inneren Schweinehund zu überwinden und dich erneut deiner Arbeit zu widmen. Bis deine Gedanken erneut abschweifen und du dich einfach nicht konzentrieren kannst. Was ist hier bloß los?

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Social Media, Netflix, Lieferdienste: die aktuelle Generation Z wächst in einer regelrechten Wunderwelt der schnellen Bedürfnisbefriedigung für unser Gehirn auf. Schnell, sofort und in komprimierter Form erhält der Otto-Normal-Mensch des 21. Jahrhunderts Antworten auf unzählige Fragen, punktgenaue Unterhaltung oder den leckeren Burger des nächstbesten Restaurants. Primär die Informationsflut des Internets ist getrimmt darauf unsere Aufmerksamkeit zu erhaschen, es herrscht regelrechter Konkurrenzkampf um die Frage, wer uns am besten in seinen Bann ziehen kann: das Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie hat begonnen.

Gemäß einer Studie der Technischen Universität Berlin, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, des University College Cork und der Technical University of Denmark konnte nun bewiesen werden: die Aufmerksamkeitsspanne der Gesellschaft in Total wird kürzer. Ob Push-Nachrichten, Eilmeldungen oder TikTok-Shorts: unsere aktuelle Welt scheint darauf fokussiert zu sein, uns in kürzester Zeit bestmöglich zu unterhalten.

„Unsere Daten zeigen, dass die Dauer, in der die Öffentlichkeit Interesse an einzelnen Themen und Inhalten zeigt, immer kürzer wird. Gleichzeitig springt das Interesse immer schneller von einem Thema zum nächsten“, sagt Philipp Lorenz-Spreen, Erstautor der Studie und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Dass es in einem Zeitalter der Schnelllebigkeit stetig schwieriger wird, den Fokus länger auf einer einzigen Tätigkeit zu halten, ist logisch. Um diesem Trend als Einzelperson entgegenzuwirken, widmen wir uns in diesem Artikel hilfreichen Tipps, wie du deine Aufmerksamkeit bewusst lenken kannst.

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Aufmerksamkeitsökonomie? Das Problem mit den Medien

Von zwölf auf acht Sekunden: laut einer Studie von Samsung ist dies die neue Zeitspanne, die wir benötigen, um über Top oder Flop eines Musikstücks zu urteilen. Auf der anderen Seite der Medaille erhalten Creator bereits ab 30 Sekunden Spieldauer Einnahmen erhalten, sodass sich die Produktion eines längeren Tracks beiden Parteien wenig nützt. Prognostiziert wird, dass zukünftige Popsongs demnach deutlich kürzer sein werden, der Refrain weiter im Stück vorangestellt und somit Langerweile vorgebeugt wird. Von 2013 zu 2018 ist die durchschnittliche Songlänge von 03:50 Minuten um stolze zwanzig Sekunden auf 03:30 gesunken, so Quartz. Das Zeitalter von Brettern wie „All Around the World“ von Oasis von über neun Minuten Länge ist bereits lange verstrichen, innerhalb des Streaming-Zeitalters ist eine regelrechte „Skipping Culture“ entstanden.

Zur Erklärung der sinkenden kollektiven Aufmerksamkeit bedient sich Philipp Hövel, Co-Autor und Dozent für angewandte Mathematik am University College Cork, einem Bild aus der Mathematik: „Für unsere Modellierung haben wir uns vorgestellt, dass sich jedes Thema von der begrenzten kollektiven Aufmerksamkeit ernährt. Wenn immer mehr Themen ein Stück von der Aufmerksamkeit haben wollen, bleibt für ein einzelnes Thema weniger übrig.“

Wenn früher ein Roman zu Unterhaltungszwecken gelesen wurde, reichte dies aus, um stundenlang beschäftigt zu werden, bis der Task erfüllt ist. Heutzutage sorgen soziale Medien jedoch dafür, dass wir in kürzester Zeit mehr Informationen konsumieren und schneller mehrere Dinge konsumieren können. Wenn wir ständig einer Flut an Informationen und Unterhaltungsangeboten ausgesetzt sind, die genau darauf zugeschnitten sind, uns zu verführen, versuchen wir logischerweise sämtliche Inhalte auf einmal zu konsumieren. Und wie? Indem wir die Aufmerksamkeit der Gesellschaft als Ganzes, die wir einem einzigen Aspekt widmen, minimieren.

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Kontinuierliche Aufmerksamkeit: eine Illusion?

Die meisten kennen es vermutlich: wir lesen ein spannendes Buch, den informativen Artikel oder anderweitige Literatur und halten uns dabei für hochfokussiert. Wie ein Schwamm saugen wir die uns dargebotenen Inhalte auf, um ja nichts zu verpassen und sämtliche Inhalte zu behalten. Tatsächlich ist es allerdings gemäß Wissenschaftler:innen der Princeton University so, dass sich unser Fokus nicht statisch, sondern diskontinuierlich verhält und alle paar Hundert Millisekunden seinen Wirt wechselt:

„Nach etwa 500 Millisekunden sind wir auf einem Aufmerksamkeitshöhepunkt, können uns sehr gut auf den äußeren Reiz fokussieren“, antwortet Sabine Kastner, Professorin für Neurowissenschaften und Psychologie am Neuroscience-Institut in Princeton, im Interview mit Lisa Hegemann in ZEIT ONLINE am 16. Oktober 2018. Im Anschluss an den Peak sinke unsere Aufmerksamkeit und wir schweifen für einen kurzen Moment ab – dass wir uns also gleichförmig auf eine Tätigkeit konzentrieren können, sei daher ein Trugschluss.

Klick, Klick, Job!

Wie im Online-Lexikon für Psychologie und Pädagogik beschrieben, „sind daher Aufmerksamkeitsprozesse notwendig, die in jedem Augenblick immer wieder aufs Neue auswählen müssen, was wahrgenommen wird, welche Gedächtnisinhalte aktiviert werden und was getan werden soll“. Das Gehirn wählt also aus, welche Stimuli und Reize wir wahrnehmen ‒ und das permanent neu. Und unser Interesse springt in stetig kürzeren Abständen von einer Thematik zur nächsten, sodass sowohl digital als auch analog unsere Aufmerksamkeitsspanne abnimmt.

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Generation Goldfisch: wie du ihr entkommen kannst

Als Microsoft 2015 die dubiose These aufgestellt hat, dass wir Menschen eine Sekunde hinter der durchschnittlichen Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches lägen – Spoiler-Alarm, diese beträgt gerade einmal acht Sekunden – sorgte dies für globale Beachtung. Ob dies nun tatsächlich der Wahrheit entspricht, bleibt fragwürdig, allerdings ist es vermutlich in unser aller Interesse, in maximale Konzentration und Aufmerksamkeit für eine Thematik zu investieren. Wie du deinen inneren Goldfisch überlisten kannst, zeigen wir dir jetzt:

  • Ablenkungen, adieu! Wer kennt es nicht: sobald eine unbeliebte Aufgabe zu erledigen ist, sei es das Lernen für die Klausur, eine Hausarbeit oder gleich beides zusammen, so wird selbst die Wand gegenüber verlockend spannend. Dass Social Media bewusst darauf konzipiert ist, deine Aufmerksamkeit in ihren Bann zu ziehen, wissen wir bereits aus vorherigem Kapitel ‒ aus diesem Grund solltest du versuchen, dein Smartphone während des Lernens abzuschalten oder es in einen anderen Raum zu verbannen.
  • Ein Task zur Zeit. Gehörst du auch zu denjenigen Personen, die nicht ein, nicht zwei, sondern gleich drei Dinge plus zum selben Zeitpunkt erledigen? Während des Frühstückens dudelt fröhlich eine Folge der Netflix-Serie, während dein Blick in einem Buch versunken ist. Dass du weder den Inhalt der Folge noch den des Buches oder deiner Müslischale vernünftig genießen kannst, ist hier logisch. Wir verlieren schnell den Fokus, sind somit Fehleranfälliger, vergessen schnell Wesentliches – und zerstreuen unsere Aufmerksamkeit immer weiter, anstelle sie im Ganzen für eine Tätigkeit zu nutzen. Reduziere daher Multi-Tasking, um deinem Gehirn die Chance zu geben, sich auf eine einzige Tätigkeit, einen Single Task, einzulassen und Stress zu reduzieren.
  • Nur notwendige Tabs öffnen. Ja, dies gilt sowohl für deinen Browser als auch auf mentaler Ebene! Existieren zu viele Informationsquellen auf einmal, läufst du Gefahr dich auf die falschen Aspekte zu fokussieren und unnötig Zeit zu vergeuden.
  • Erstelle To-Do-Listen. Unser Gehirn liebt es Aufgaben zu vollenden. Um Motivation wie Konzentration zu erhöhen, kannst du mit demselben Konzept arbeiten, wie es soziale Medien ebenso tun: kleine Tasks, die schnell erfüllt sind und positive Emotionen in dir auslösen, um dein Belohnungszentrum in Fahrt zu bringen. So strukturierst du deine Arbeit effektiver, weißt exakt, womit heute zu starten ist und kommst gar nicht erst in Versuchung, dich von kunterbunten Applikationen ablenken zu lassen.

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  • Treibe Sport. Dass Körper und Geist ein eng miteinander verworrenes Band kreieren, ist bereits psychologische Binsenweisheit geworden. Durch ausreichend Bewegung gönnst du deinem Geist Ruhe, forderst deinen Körper und beugst präventiv Krankheiten vor. Zudem baust du Stress ab, stimulierst deinen Kreislauf und sorgst im besten Fall durch frische Luft für bestmögliche Sauerstoffversorgung.
  • Schlafhygiene. Der Abend vor der Klausur bedeutet für zahlreiche Studis meist eins: Pauken bis spät in die Nacht. Dass unser Kopf jedoch Ruhe und Reizreduktion benötigt, um im Anschluss aufmerksamer zu sein, sollte hier nicht unterschätzt werden. Schlaf ist schließlich elementar, wenn langfristige Konzentration und Aufmerksamkeit gefordert sind.
  • Meditiere. Klar, oftmals schwingt in dem Vorschlag, einmal eine Meditation zu versuchen, um die eigenen Probleme zu reduzieren, Skepsis mit. Fakt ist, dass kurzes meditieren Stress reduzieren und dem Gehirn eine kurze Auszeit ermöglichen: „Durch Meditation wird das Nervensystem erreicht und der Parasympathikus aktiviert. Das ist der Teil des Nervensystems, der für den Aspekt der Entspannung steht“, erklärt Diplom-Psychologe Steffen Brandt im Interview mit dem RBB. „Der Blutdruck kann sinken, die Herzfrequenz, der Atem wird ruhiger und es kann sich ein Wohlgefühl einstellen.“
  • Auditive Unterstützung. Ob klassische Musik, White Noise oder ASMR: beruhigende, gleichbleibende Klänge, Geräusche oder Musik im Hintergrund können dabei helfen, dich zu entspannen und Umgebungsreize auszublenden.
  • Setze bewusst Pausen. Vermutlich kennt jeder diesen einen Punkt, an dem gar nichts zu funktionieren scheint. Der Kopf macht dicht, die Gedanken blockieren, die Schläfen pulsieren. Solltest du merken, dass du abschweifst, dich deutlich weniger fokussieren kannst und deine Produktivität nachlässt, lege eine Pause ein. Gönne deinem Körper Ruhe, bis du wieder zu Kräften kommst, um dann umso effektiver arbeiten zu können.

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